Greifswald und die Hanse: Auf den Spuren maritimer Geschichte an der Ostseeküste

Die charmante Stadt Greifswald an der Ostsee ist Zeuge einer reichen und faszinierende Geschichte, die eng mit der Hanse verbunden ist. Die Hanse war ein mächtiges mittelalterliches Handelsbündnis, das den Handel in Nordeuropa dominierte.

Greifswalds hanseatischer Aufschwung

Wir schreiben das Jahr 1278. Greifswald ist noch eine junge Stadt, gerade einmal 28 Jahre alt. Kaufleute aus Lübeck, Rostock und Wismar gründen die „Societas Mercatorum“, die Gesellschaft der Kaufleute. Ihr Ziel: die Sicherung des Handels auf der Ostsee. Schnell schließt sich Greifswald diesem Bund an und wird damit Mitglied der Hanse.

Die Hanse war kein zentral regierter Staat, sondern ein lockerer Zusammenschluss von Handelsstädten. Aber ihre Bedeutung war enorm. Über Jahrhunderte hinweg bestimmte sie den Handel in Nordeuropa. Gewürze aus dem Orient, Pelze aus Russland, Getreide aus dem Baltikum – all diese Waren wurden auf den Koggen, den robusten Segelschiffen der Hanse, transportiert. Dank der Hanse entwickelte sich Greifswald zu einem wichtigen Umschlagplatz für Waren aus Skandinavien und Osteuropa.

Ausbau der Handelsbeziehungen

Greifswalder Händler intensivierten ihre Handelsaktivitäten und erweiterten ihre Geschäftsbeziehungen nach Skandinavien, aber auch nach Flandern, England und Russland. Die nach bestimmten Regionen handelnden Kaufleute schlossen sich zu Kooperationen, wie die der Bergen- und Schonenfahrenden zusammen. Neben der Ausfuhr von Getreide und weiteren Agrarprodukten der Umgebung sowie Hering wurden Stockfisch, Pelzwaren, Wachs, Hanf, Wein, Tuche und Wolle importiert und weiter gehandelt.

Doch die Hanse brachte nicht nur wirtschaftlichen Aufschwung. Sie prägte auch das Gesicht der Stadt. Wer heute durch die malerische Altstadt Greifswalds schlendert, stößt an vielen Ecken auf Zeugen dieser Zeit. Das prächtige Rathaus, erbaut im 14. Jahrhundert, war einst Schauplatz wichtiger Handelsabkommen. Die Bürger der Hansestadt errichteten die gewaltige Nikolaikirche, deren Backsteinmauern bis heute die Stadt dominieren.

Karte mit der Ausbreitung der Hanse
Ausbreitung der Hanse um das Jahr 1400 – CC BY-SA 3.0 – Droysen/Andrée – Plate 28 of Professor G. Droysens Allgemeiner Historischer Handatlas, published by R. Andrée, 1886

Auch außerhalb der Stadtmauern hinterließ die Hanse ihre Spuren. Der wunderschöne Ryck, der sich durch Greifswald windet, war damals eine wichtige Wasserstraße für den Handel. An seinen Ufern entstanden Speicherhäuser, in denen die Waren gelagert wurden. Einige dieser Speicher sind heute noch erhalten und laden zu einer Reise in die Vergangenheit ein.

Die Bedeutung der Hanse für die gesamte deutsche Ostseeküste lässt sich kaum überschätzen. Städte wie Rostock, Stralsund und Wismar erlebten durch den Handel einen wirtschaftlichen Boom. Aber auch kleinere Orte profitierten, indem sie Rohstoffe an die Hansestädte lieferten oder als Handwerkszentren Waren für den Export produzierten.

Die Hanse - Großmacht im Norden

Lubmin: Ein hanseatischer „Vorposten“

Lubmin, ein kleines Dorf nördlich von Greifswald, spielte eher eine Nebenrolle in den hansischen Bestrebungen der Stadt. Seine Nähe zum Meer und Greifswald machten es daher zu einem idealen Außenposten für Fischer, die auf der Suche nach dem lukrativen Heringshandel in die Ostsee fuhren.

Historischer Schiffsverkehr

Von den mittelalterlichen Hansestädten bis zur Blütezeit der Seefahrt im 19. Jahrhundert spielten Schiffe eine zentrale Rolle im Handel, in der Fischerei und im Transportwesen. Heute können Besucher tiefer in diese maritime Vergangenheit eintauchen, indem sie das Marine Museum in Stralsund besuchen. Dort werden nicht nur historische Schiffe und deren Technologie präsentiert, sondern auch Einblicke in das Leben an Bord und die Herausforderungen der Seefahrt vergangener Jahrhunderte geboten.

Treideln auf dem Ryck

Der etwa zehn Kilometer lange Ryck, seit dem Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert der Hauptverkehrsweg der Stadt, verbindet den Greifswalder Stadthafen mit dem im späten 13. Jahrhundert angelegten Vorhafen in Wieck. Für Segelschiffe war es aufgrund der vorherrschenden Westwinde oft schwierig, den Stadthafen anzulaufen. Insbesondere wenn sie aufgrund des flachen Fahrwassers des Rycks ihre Fracht ohnehin in Wieck auf Leichter und Prähme zum Weitertransport in die Stadt umladen mussten. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden beide Häfen ausgebaut, nachdem bereits in den 1820er und 1830er Jahren eine Neuregulierung des Flusses erfolgt war. Auf der Südseite legten die Greifswalder einen Pfad zum „Treideln“ von Schiffen an, die von Pferden oder Menschen gezogen wurden.

Angesichts des bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hineinreichenden Segel-, Fischerei- und Binnenschiffverkehrs war das Treideln auf dem Ryck nichts Ungewöhnliches. Gesetze und Polizeiverordnungen regelten das Verfahren, wenn sich treidelnde Fahrzeuge begegneten oder überholten.

Fahrgastschifffahrt

Vor dem Aufkommen von Dampfschiffen transportierten Treckschuten, flache Kähne, die von Pferden gezogen wurden, Passagiere vom Greifswalder Hafen nach Eldena an der Mündung des Rycks. Nach 1870 lösten kleine Personendampfer die Treidelkähne zunehmend ab. Parallel zum Aufstieg des Bäderwesens an der Ostseeküste seit dem späten 19. Jahrhundert entwickelte sich auch in Greifswald die Fahrgastschifffahrt. Ausflugs- und Salondampfer brachten die Badegäste nach Wieck und Eldena, auf den Greifswalder Bodden, nach Lubmin und zu den Seebädern an der Südostküste Rügens wie Lauterbach, Baabe und Thiessow. Ankommende Fahrgäste mit der Eisenbahn aus Richtung Berlin gelangten mit der Hafenbahn direkt vom Bahnhof zur Dampferanlegestelle.

Die Kesslersche Maschinenfabrik in der Mühlenvorstadt hat in den letzten vier Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts über 30 Fluss- und Küstendampfer für Greifswalder und andere Reedereien gebaut. Zum Stapellauf im Hafen mussten die eisernen Fahrzeuge auf eigens konstruierten Wagen, die von Pferden gezogen wurden, durch die halbe Stadt bis zum Ablaufplatz am nördlichen Ufer des Rycks transportiert werden.

Das Erbe der Hanse

Im 16. Jahrhundert begann der Stern der Hanse zu sinken. Die Entdeckung neuer Handelswege und der Aufstieg nationaler Staaten schwächten ihren Einfluss. 1669 löste sich der Bund schließlich auf.

Altes Haus aus der Hansezeit
Sibylle Schwartz Wohnhaus von 1621 in der Greifswalder Baderstraße 2

Trotzdem blieb das Erbe der Hanse in Greifswald und an der gesamten deutschen Ostseeküste präsent. Die Hansezeit schuf Handelsbeziehungen, die teilweise bis heute fortwirken. Auch das maritime Know-how, das in dieser Zeit erworben wurde, prägte die Region nachhaltig. Einen guten Überblick der historischen Bedeutung der Hanse ist auch im Pommerschen Landesmuseum zu bestaunen.

Heute erinnert man sich in Greifswald daher stolz an die Hansegeschichte. Sie ist ein wichtiger Bestandteil der Identität der Stadt und zeigt, wie sehr Greifswald immer schon vom Handel und vom Meer geprägt war. Wer Greifswald besucht, sollte sich somit unbedingt auf die Spuren der Hanse begeben – sie sind überall in der Stadt zu finden!